Zuletzt geändert am 30. Dezember 2020 von Marc Ellinger

Radonvorsorgegebiete

Gesetzliche Pflicht der Bundesländer zur Gebietsausweisung

Nach § 121 Strahlenschutzgesetz waren die einzelnen Bundesländer verpflichtet, bis zum 31.12.2020 die sogenannten Radonvorsorgegebiete auszuweisen.

Stand der Gebietsausweisung zum 30.12.2020

Bislang haben die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie Thüringen entsprechende Gebietsausweisungen vorgenommen. Im Saarland wurden keine Radonvorsorgegebiete ausgewiesen, aber drei Gemeinden aufgrund erhöhter Radonwerte in Gebäuden als Untersuchungsgebiete deklariert.

Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt haben die Ausweisung abgeschlossen und durch Allgemeinverfügungen, die zum 31.12.2020 in Kraft treten, festgeschrieben. Die anderen Bundesländer machen, obwohl auf den jeweiligen Webseiten die Fristsetzung zum 31.12.2020 erwähnt wird, zumindest keine auffindbaren Gebietsangaben, sondern verweisen zum Großteil auf die Unterlagen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS).

Was sind Radonvorsorgegebiete?

Nach den gesetzlichen Regelungen handelt es sich hierbei um Gebiete für die erwartet wird, dass die über das Jahr gemittelte Radon-222-Aktivitätskonzentration in der Luft in einer beträchtlichen Zahl von Gebäuden mit Aufenthaltsräumen oder Arbeitsplätzen (Gebäudeanzahl > 10%) den Referenzwert von 300 Bq/m³ überschreitet.

Die Art und Weise, wie diese Gebiete festzulegen sind, ist im § 153 der Strahlenschutzverordnung geregelt. Die Festlegung muss auf Grundlage einer wissenschaftlich basierten Methode vorgenommen werden, die unter Zugrundelegung geeigneter Daten Vorhersagen hinsichtlich  der Überschreitung des Referenzwertes von 300 Bq/m³ in der Luft von Aufenthaltsräumen oder an Arbeitsplätzen in Innenräumen ermöglicht. Das sind lt. Verordnung insbesondere geologische Daten, Messdaten der Radon-222-Aktivitätskonzentration in der Luft, Messdaten der Durchlässigkeit der vorhandenen Bodenaufbauten (Bodenpermeabilität), Messdaten zur Radon-222-Aktivitätskonzentration in Aufenthaltsräumen und an Arbeitsplätzen in Innenräumen.

Die zuständigen Landesbehörden können davon ausgehen, dass der Referenzwert von 300Bq/m³ in einer beträchtlichen Anzahl von Gebäuden überschritten wird, wenn aufgrund der Vorhersage auf mindestens 75 % des auszuweisenden Gebietes der Referenzwert von 300 Bq/m³ in mindestens 10% der Gebäude überschritten wird. Die Gebiete werden innerhalb der Verwaltungsgrenzen des jeweiligen Bundeslandes festgelegt.

Die Crux dabei:

Dies breit angelegte Palette der Möglichkeiten erlaubt den zuständigen Landesbehörden ein sehr kreatives Vorgehen.

Die simpelste und sicherste Methode wäre dahin zu sehen, eine Vielzahl von Gebäuden in den jeweiligen Verwaltungseinheiten zu messen.

Das erfordert  einen hohen organisatorischen und logistischen Aufwand:

  • es müssten jeweils eine signifikante Anzahl an Gebäuden ausgewählt werden;
  • die Eigentümer/Nutzer der für die Stichprobe ausgewählten Gebäude müssten zustimmen; ggf. müssten Alternativen gesucht werden;
  • die Gebäudedaten müssten erhoben werden;
  • die Messgeräte müssten beschafft und mit Aufstellanleitung versendet werden; vielleicht müsste die Aufstellung stichprobenartig kontrolliert und dokumentiert werden;
  • die Eigentümer/Nutzer müssten ein- ggf. mehrmals an die Rücksendung erinnert werden;
  • ein vollständiger Rücklauf ist nicht zu erwarten;
  • die Messungen müssen anonymisiert ausgewertet und zusammengefasst werden.

Aber nach Abschluss der Maßnahme wäre als Ergebnis eine belastbare, gebäudebezogene Datenlage vorhanden, die weitaus bessere Prognosen ermöglicht, als das derzeit verwendete Prognosemodell.

Zieht man hingegen ohne gebäudebezogene Messung lediglich die vorhandenen Daten der Bundesamtes für Strahlenschutz heran, die nach mathematisch statistischen Verfahren ausgewertet werden,  geht das zwar mit sehr viel weniger Aufwand, aber es bleibt die Frage, wie realitätsnah diese Ergebnisse dann sind.  Die Datengrundlage die das BfS zur Verfügung stellt, beruhen auf einem Meßraster mit 10 x 10 km großen Rasterfeldern und sind auch in diesem Messraster teilweise rechnerisch ermittelt. Daraus wird auf die jeweiligen Gemeindegebiete rückgeschlossen (rechnerisch interpoliert) deren Flächen neben dem eigentlichen Siedlungsraum (Wohn- und Gewerbegebiete) aus Verkehrsflächen, landwirtschaftlich genutzten Flachen, Waldflächen und aus mit Wasser bedeckten Flächen (Flüsse und Seen) besteht.

Maßgebend für die Gefährdung der Menschen durch Radon in Gebäuden ist aber nun mal die tatsächliche Radon-222-Aktivitätskonzentration in den jeweiligen Gebäuden und eben gerade keine mathematisch ermittelte Größe.

Welche baulichen Konsequenzen ergeben sich aus der Einstufung als Radonvorsorgegebiet?

In diesen Gebieten gilt laut § 154 Strahlenschutzverordnung die Pflicht nach § 123 Absatz 1 Satz 1 des Strahlenschutzgesetzes bei Neubauten von Gebäuden mit Aufenthaltsräumen oder Arbeitsplätzen geeignete Maßnahmen zu treffen, um den Zutritt von Radon aus dem Baugrund zu verhindern oder zu erschweren. Diese Pflicht gilt als erfüllt, wenn zusätzlich zu den Maßnahmen nach § 123 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 (Einhaltung der erforderlichen Maßnahmen zum Feuchteschutz nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik) noch mindestens eine der nachfolgend aufgeführten Maßnahmen durchgeführt wird:

  1. Verringerung der Radon-222-Aktivitätskonzentration unter dem Gebäude.
  2. gezielte Beeinflussung der Luftdruckdifferenz zwischem dem Gebäudeinneren und der Bodenluft an der Außenseite von Bauteilen mit Erdkontakt, sofern der diffusive Radoneintritt auf Grund des Standorts oder der Konstruktion begrenzt ist.
  3. Begrenzung der Rissbildung in den erdberührten Wänden und Böden und die Auswahl diffusionshemmender Betonsorten mit der erforderlichen Dicke der Bauteile.
  4. Absaugung von Radon an Randfugen oder unter Abdichtungen.
  5. Einsatz diffusionshemmender, konvektionsdicht verarbeiteter Materialien oder Konstruktionen.

Das bedeutet: Das Bauen in den ausgewiesenen Radonvorsorgegebieten wird – per Rechtsverordnung – aufwändiger und damit teurer!

Aber: Es gibt die Möglichkeit eine Antrag auf Befreiung zu stellen, wenn eine Überschreitung des Referenzwertes auch ohne diese zusätzlichen Maßnahmen nicht zu erwarten ist. Aber: Wer sollte diese Vorhersage zum jetzigen Zeitpunkt haftungsrelevant machen wollen/können?

Für bestehende Gebäude in denen keine Arbeitsplätze in Innenräumen vorhanden sind, ändert sich nichts. Hier gilt die Regelung nach § 123 Absatz 4 des Strahlenschutzgesetzes, die besagt, dass bei baulichen Veränderungen an Gebäuden mit Aufenthaltsräumen oder Arbeitsplätzen, die zu einer erheblichen Verminderung der Luftwechselrate führen – das sind nahezu alle Maßnahmen zur energetischen Verbesserung der Gebäudehülle, aber auch andere bauliche Maßnahmen – sind Maßnahmen zum Schutz vor Radon in Betracht zu ziehen, soweit diese Maßnahmen erforderlich und zumutbar sind.

Welche Konsequenzen ergeben sich für Eigentümer und Nutzer von Gebäuden mit Arbeitsplätzen in Innenräumen, die in Radonvorsorgegebieten liegen?

Für neu zu errichtende Gebäude gelten im Hinblick auf bauliche Maßnahmen die vorgenannten Regelungen nach § 154 Strahlenschutzverordnung, sowie darüber hinaus die nachfolgenden Regelungen zur Messung der Radon-222-Aktivitätskonzentration, die auch und insbesondere für bestehende Gebäude mit Arbeitsplätzen gelten.

Liegen diese Arbeitsplätze im Keller oder im Erdgeschoss eines solchen Gebäudes hat der/die für diese Arbeitsplätze Verantwortliche die Messung der Radon-222-Aktivitätskonzentration veranlassen. Hierbei gilt dass die Messung innerhalb von 18 Monaten nach Gebietsfestlegung bzw. Arbeitsaufnahme am Arbeitsplatz erfolgt sein muss. Der Referenzwertwert von 300 Bq/m³ ist einzuhalten.

Sollte es Anhaltspunkte dafür geben, dass der Referenzwert überschritten wird/ist, kann die zuständige Behörde weitere Messungen an anderen Arbeitsplätzen anordnen.

Die Messergebnisse sind vom Verantwortlichen für die jeweiligen Arbeitsplätze 5 Jahre ab Erstellung aufzubewahren und der zuständigen Behörde auf Verlangen vorzulegen.

Eigene Arbeitskräfte und die Personalvertretung sind über die Ergebnisse der Messung unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) zu unterrichten, ein möglicher Mieter/Nutzer ist ebenfalls unverzüglich darüber zu unterrichten, dieser wiederum muss seine Beschäftigten ebenso unverzüglich über die Meßergebnisse informieren.

Das bedeutet: In diesen Gebieten müssen die Erstmessungen bis voraussichtlich Jahresmitte 2022 abgeschlossen sein. Es besteht Handlungsdruck!!!

Wenn der Referenzwert von 300 Bq/m³ überschritten wird …

… hat der/die für den Arbeitsplatz Verantwortliche

  • unverzüglich Maßahmen zur Reduzierung der Radon-222-Aktivitätskonzentration in der Luft zu treffen,
  • den Maßnahmenerfolg binnen 24 Monaten nach Bekanntwerden der Erstmessung mit der Überschreitung ddurch eine Messung der Radon- 222-Aktivitätskonzentration in der Raumluft zu überprüfen.
  • die Beschäftigten und deren Vertretungsorgan über die Ergebnisse der Messungen zu unterrichten.

Der Verantwortliche für den Arbeitsplätz muss keine Maßnahmen zur Reduzierung der Radon-222-Aktivitätskonzentration in der Luft treffen, wenn diese nicht, oder nur mit einem unverhältnismäßig hohem Aufwand möglich sind. Dies aber nur aus besonderen Gründen, die sich ergeben aus:

  1. den Belangen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes
  2. der Natur des Arbeitsplatzes

Es ist davon auszugehen, das der/die für den Arbeitsplatz Verantwortliche für die Behauptungen beweisbelastet ist, d.h. die Undurchführbarkeit oder die Unverhältnismäßigkeit von Reduzierungsmaßnahmen begründen muss.

Kollision von Strahlenschutzrecht und Arbeitsschutzrecht?!

Die oben genannten Bestimmungen gelten nur für die Arbeitsplätze im Inneneren von Gebäuden, die in Radonvorsorgegebieten liegen. Was aber ist mit Arbeitsplätzen in Gebäuden, die nicht in Radonvorsorgegebieten liegen? Sollte eine dort bestehende Radonbelastung der Raumluft nur aufgrund der Gebietsausweisung als Nichtradonvorsorgegebiet weniger oder gar unschädlich sein?

Hier greift das normale Arbeitsschutzrecht, das vom Grundstz her besagt, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, seine Beschäftigten an den Arbeitsplätzen vor schädigenden Einwirkungen – dazu gehört auch die ionisierende Strahlung die von Radon und seinernZerfallsprodukte  hervorgerufen wird, – zu schützen. Um dieser Verpflichtung gezielt nachkommen zu können, müssten die Arbeitgeber entsprechend messen. Diese Messverpflichtung ergibt sich aber nur aus dem Strahlenschutzgesetz und somit nur für Gebäude mit Arbeitsplätze, die in Radonvorsorgegebieten liegen.

 

Weiterführende informationen finden sich der Veröffentlichung des BfS „Radon an Arbeitsplätzen in Innenräumen