Zuletzt geändert am 17. Juni 2020 von _admin

Gesundheitsgefährdung

Frühe Quellen

Der Bergbau des Mittelalters konzentrierte sich auf die Gewinnung edelmetallhaltiger Erze, vorzugsweise Gold und Silber. Die mittelalterlichen Bergleute waren von Berufs wegen immer einem hohen gesundheitlichen Risiko (Unfälle, Wetterstürze, Staubbelastung) ausgesetzt und hatten aufgrund der Staubbelastung immer auch mit Lungenerkrankungen zu tun.

Im Bergbaugebiet um Schneeberg (Erzgebirge) trat eine, sich nur auf dieses Region beschränkte, besondere Lungenerkrankung bei den Bergleuten auf, die sich in ihren Symptomen von den sonst „üblichen“ Lungenerkrankungen deutlich unterschied. Sie wurde als Schneeberger Krankheit (eine, wie sich später herausstellte besondere Form von Lungenkrebs) bekannt. In der Folge litten die Schneeberger Bergleute unter einem sehr schlechten gesundheitlichen Allgemeinzustand und einer vergleichsweisen geringe Lebenserwartung.

Die ersten schriftlichen Hinweise auf die Symptome, der damals als Bergsucht bezeichneten Lungenerkrankung, in der frühen Neuzeit finden sich bei Georgius Agricola in seinem 1565 erschienen Werk „De Re Metallica Libri XII“ und bei Paracelsus in seinem 1567 erschienen Buch „on der Bergsucht oder Bergkranckheiten drey Bücher, inn dreyzehen Tractat verfast vnnd beschriben worden.“ . Weitere Erkenntnisse und Symptombeschreibungen finden sich in dem 1614 erschienen Werk „Ein getrewer Rath in der beschwerlichen Berg- und Lungensucht“ von Martin Pansa (Stadtarzt in Annaberg und Breslau) und im 1745 erschienen Buch „Von der Bergsucht und Hüttenkatze“ des Freiberger Arztes und Bergrats Johann Friedrich Henkel.

1879 erschien das Buch „Der Lungenkrebs, die Bergkrankheit in den Schneeberger Gruben“ der beiden Ärzte Walther Hesse (Pathologe) und Friedrich Hugo Härting (Bergarzt).  Sie führten die Erkrankung in Unkenntnis der Existenz eines radioaktiven Edelgases auf eine Belastung mit Arsen zurück.

Die Entdeckung der Radioaktivität

Das Ende des 19. Jahrhunderts brachte viele neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse. Unter anderem die Entdeckung der Radioaktivität.

Ernest Rutherford (1871-1937) gilt als Entdecker des Radons, das in seiner zusammen mit Bowie Owens 1899 herausgegebenen Publikation „Thorium and Uranium Radiation“ erstmals erwähnt wird. Der deutsche Physiker Friedrich Ernst Dorn (1848 -1916) zitiert in seiner 1900 erschienen Publikation „Über die von radioaktiven Substanzen ausgesandte Emanation“ die Arbeit Rutherfords. Auch Marie Curie, eine der bedeutensten Wissenschaftlerinnen ihrer Zweit und zweifache Nobelpreisträgerin forschte  in diesem Bereich.

Neuzeitliche Quellen

In den zwanziger bis vierziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurden die Untersuchungen zur Gefährlichkeit von Radon – aus Rücksicht auf die boomenden Radonbade- und Trinkkuren eher im Verborgenen – fortgesetzt. Die Ergebnisse wurden bewusst geheimgehalten, um das einträgliche Geschäft der Heilbäder (Radonbalneologie) nicht zu gefährden.

In der Zeitschrift für Krebsforschung erschien 1939 ein „Bericht über die Schneeberger Untersuchungen“ von Boris Rajewski. Darin wurde nachgewiesen, dass das Einatmen radioaktiver Stäube in Zusammenwirken mit der Inhalation von Radon  zu Lungenkrebs führen kann. Als ein Ergebnis dieser Untersuchungen wurde – weltweit erstmals – 1940 durch das Karlsbader Bergamt ein Grenzwert für die Radonbelastung in Uranbergwerken festgelegt.

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs begann das atomare Wettrüsten und damit die eifrige Suche nach waffenfähigem Uran. Neue Bergwerke wurden aufgefahren, bestehende Gruben erweitert. Die Uranproduktion wurde  gesteigert. Dabei wurden die mittlerweile durchaus bekannten Folgen der Radonbelastung auf die Gesundheit der Bergleute und Hüttenarbeiter weitgehend außer Acht gelassen.

Insbesondere nach dem Ende des atomaren Wettrüstens gab es mehrere Kohortenstudien bei den denen die Radonbelastung und die Sterblichkeit durch Lungenkrebserkrankungen in Zusammenhang gebracht wurden. In der Folge wurden die zulässigen Höchstwerte für die Arbeitsstätten im Uranbergbau und der Uranverhüttung immer weiter gesenkt.

Der Uranbergbau und die dabei aufgeworfenen Halden an hatte aber auch Folgen für die Familien der Bergleute, die in den – zumeist angrenzend an die Gruben/die Halden liegenden Wohngebiete – lebten. Vor allem die Studien, die im Zuge der Aufarbeitung des strahlenden Erbes des deutschen Uranbergbaus erstellt wurden, zeigten , dass auch bei  sehr viel geringerer  Exposition als in den Bergwerken, sofern sie nur über ausreichend lange Zeiträume (ein Menschenleben) besteht, das Lungenkrebsrisiko der betroffenen Personen deutlich erhöhen kann.

Grundsätzlich ist nicht nur das radioaktive Edelgas Radon die Ursache der Lungenkrebserkrankungen, sondern seine ebefalls radioaktiven, staubgebundenen Folgeprodukte.

Auf den Punkt gebracht:

Die Größenordnung der Radonaktivitätskonzentration (Radonbelastung) in der Raumluft von Aufenthaltsräumen und an Arbeitsplätzen in Innenräumen hat maßgeblichen Einfluss auf das Risiko als Nichtraucher an Lungenkrebs zu erkranken und auch auf das etwa zwanzigfach erhöhte Risiko für Raucher an Lungenkrebs zu erkranken. Je niedriger die Radonbelastung, umso niedriger das Risiko und umso geringer die Erkrankungswahrscheinlichkeit im Hinblick auf Lungenkrebs.

WHO

In den Veröffentlichungen der Weltgesundheitsorganisation (World health organisation WHO) wurden die Kohortenstudien ausgewertet und auch die Belastung der Raumluft in Aufenthaltsräumen und an Arbeitsplätzen in Innenräumen durch Radon und seine radioaktiven Folgeprodukte thematisiert und analysiert. Die Empfehlungen, die sich in den Veröffentlichungen finden, lassen sich auf den Nenner bringen; „Je geringer die Belastung, umso besser!!!“

Die WHO beschäftigt sich seit längerem mit der Problematik von Radonbelastung in Innenräumen. 2009 erschien das Buch:„WHO handbook on indoor radon: a public health perspective“ In diesem Grundlagenwerk nennt die WHO einen anzustrebenden Referenzwert von 100 Bq/m³ und darunter.

EU

Februar 1990

In der Empfehlung 90/143 Euratom  wurden seitens der EU erstmals  Empfehlungen zum Radonschutz gemacht.

  • für die Planung von Neubauten sollte die effektive Äquivalenzdoses  auf 10 mSV festgelegt werden. Dieser Wert ist praktischerweise mit einer jährlichen Radongaskonzentration von im Schnitt 200 Bq/m³ gleichzusetzen.
  • für das Planen von Umbauten im Bestand sollte die effektive Äquivalenzdoses  auf 20 mSV festgelegt werden. Dieser Wert ist praktischerweise mit einer jährlichen Radongaskonzentration von im Schnitt 400 Bq/m³ gleichzusetzen.

Mehr als 23 Jahre später, im Dezember 2013

Im Rahmen der Europäischen Union wurde im Dezember 2013 die neue Richtlinie 2013/59/Euratom verabschiedet. Diese Richtlinie regelt unter anderem Anforderungen und Maßnahmen zum Schutz vor dem natürlich vorkommenden radioaktiven Edelgas Radon, das an Arbeitsplätzen und in Wohngebäuden auftreten und Lungenkrebs verursachen kann. Den EU Mitgliedsstaaten wurde eine Frist bis zum 06.02.2018 eingeräumt diese Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Die Mitgliedssaaten der EU haben sich in zähem Ringen auf einen Referenzwert für die Radonaktivitäzskonzentration in Innenräumen von 300 Bq/m³ im Jahresmittel geeinigt. Dieser Referenzwert ist in der Euratom Richtlinie festgeschrieben.

 

Deutschland

Deutschland hat es quasi auf den letzten Drücker geschafft, die Umsetzungsfrist der EU einzuhalten. Zum 31.12.2018 ist die Novellierung des Strahlenschutzgesetzes (StrlSchG) zeitgleich mit der der neuen Strahlenschutzverordnung (StrlSchVO) in Kraft getreten.

Die Referenzwertvorgabe von 300 Bq/m³ wurde übernommen.  Wird der Referenzwert überschritten, besteht Handlungsbedarf im Hinblick auf die Arbeitsplätze in Innenräumen. Dann sind Maßnahmen einzuleiten, die dazu führen sollen, dass der Referenzwert eingehalten wird.

Für den Schutz der Bevölkerung vor ionisierender Strahlung sind aufgrund des föderalistischen Prinzips allerdings die jeweiligen Landesregierungen und Behörden der einzelnen Bundesländer zuständig, nicht mehr die Bundesregierung.